Beschreibung
Ihr nach Osten gebeugtes Haupt war von mehreren Stacheldrahtbändern wie mit einer Dornenkrone gekrönt und wurde Tag und Nacht von bewaffneten Soldaten und scharf abgerichteten Hunden bewacht. Auf der östlichen Seite der Mauer wurde sie ihrem Volk gerne als Stadtmauer, als Schutz vor faschistischen Feinden und Bollwerk für den Frieden verkauft. Aber die Berliner waren nicht dumm. Sie wussten von den scharfen Tretminen und Drahtverhauen, von den Wachtürmen, Scheinwerfern und Alarmsirenen, die jeden, dem trotzdem ein Übersteigen der Mauer gelungen war, davon abhielt, den Weg gen Westen fortzusetzen. Sollte, trotz aller Risiken, auch dieser Weg erfolgreich gewesen sein, traf man auf den Zwilling der ersten Mauer. Mindestens 140 Menschen kamen hier ums Leben. Sie wurden erschossen, erlitten schwere Unfälle und wurden ohne Hilfe liegen gelassen. Wer erwischt wurde und vorerst mit dem Leben davonkam, wurde wegen Fahnenflucht eingesperrt, gefoltert und jeglicher Menschenrechte beraubt.
[…]
Bis in die heutige Zeit hat mich die Zeit der Mauer nicht losgelassen. Sie hat mich geprägt und verängstigt, nachdenklich gemacht und mich so empört, dass ich letztendlich den Mut hatte, dem Betonklotz die Stirn zu bieten. Den Beulen, Blessuren, dem Abschiedsschmerz und den psychischen Belastungen habe ich diesen Stolz, es erhobenen Hauptes mit meinen drei Kindern und Ehemann in den Westen geschafft zu haben, entgegenzusetzen.